Ich bin zur Internet-Konferenz nebenan gekommen wie die Jungfrau zum Kinde. Und wie es bei Jungfrauenschwangerschaften immer so ist: Natürlich war das keine unbefleckte Empfängnis. Es war schon meine Idee, allerdings war sie nicht ernst gemeint. Ernst wurde sie erst, als derjenige, dem ich die Idee eher scherzhaft vorgeschlagen hatte, davon überzeugt war, dass es eine gute Idee ist: Ole Reißmann. Und er überzeugte mich, dass wir die Idee zusammen umsetzen sollten. Denn, ganz ehrlich, mit Ole kann man so etwas eben einfach durchziehen. Er ist sehr gut vernetzt und gleichzeitig ein sympathischer Typ – durch ihn stiegen die Chancen, dass spannende Netzmenschen für unsere Konferenz zusagen würden. Und genau so war es. Wir hatten tolle Gäste, die inspiriert haben. Und großartige Teilnehmer, die offen für neue Gedanken waren. Damit habe ich das Ende bereits verraten. 😉 Aber vor das gute Ende hatte das Schicksal ein paar Hürden gesetzt.
Die erste Hürde: Würde überhaupt jemand zu unserer Konferenz kommen wollen? Ursprünglich hatten wir nur Leute angefragt, deren Sessionvorschläge von der re:publica 2015 (rp15) abgelehnt worden waren (so war ja auch die Idee entstanden, mehr dazu in unserem Interview bei Digital Media Women). Doch in Gesprächen mit anderen wurde ziemlich schnell klar: Wir sollten uns von der rp15 lösen. Und so haben wir eine eigene thematische Richtung entwickelt. Herausgekommen ist dann zwar ein Programm, das wir spannend finden. Aber was würden die anderen dazu sagen, würden sie Tickets kaufen? Die Sorge trieb uns von Anfang an um. Jetzt weiß ich: Wenn es 2 gut finden, ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass es auch 150 weitere gut finden. Und 18 davon sogar noch viel Geld zusätzlich geben! Die Tickets waren innerhalb von zweieinhalb Stunden ausverkauft – und dabei hatten wir die Konferenz und das Line-up nur über Twitter bekanntgegeben.
Die zweite Hürde: Wie viel würden die Leute wohl dafür zahlen wollen? Ursprünglich wollten wir nur zehn Euro nehmen. Doch eine erfahrene Konferenzplanerin (danke, Caro!) hat uns gesagt: Das ist zu billig! Das nimmt keiner ernst! Wir haben uns dann für 19 Euro und 11 Euro ermäßigt entschieden – was im Nachhinein immer noch riskant niedrig war. Unsere Kalkulation umfasste anfangs nur zwei Dinge: Location – das Betahaus in Hamburg (die Leute dort sind übrigens sehr freundlich und hilfsbereit) – und Fahrtkosten für die Speaker und Speakerinnen, die nicht aus Hamburg kommen. Doch im Laufe der Zeit kamen noch weitere Posten dazu.
Die dritte Hürde: die Suche nach Sponsoren. Anfangs suchten wir Sponsoren, weil wir dachten, dass wir durch finanzielle Unterstützung noch nette Add-ons bieten könnten. Der Name „freundliche Internet-Konferenz“ sollte ja berechtigt sein. Später suchten wir dann Sponsoren aus purer Geldnot. Und eigentlich waren wir erfolgreich. Aber leider nur eigentlich. Ich hatte zunächst den richtigen Riecher und einen Sponsor angesprochen, der großes Interesse und eigentlich auch sehr willig war. Kurz vor knapp scheiterte es daran, dass das Unternehmen einen großen Aufschlag planen wollte, aber dafür keine personellen Kapazitäten hatte – weil wir zu kurzfristig angefragt hatten. Doch irgendwie war uns das Glück hold, und die Hamburger Senatskanzlei wurde über Umwege auf uns aufmerksam – und versprach, uns im Rahmen ihrer Initiative Next Media Hamburg zu fördern. Und zwar mit mehr Geld, als wir zu hoffen gewagt hatten. Damit war nicht nur gesichert, dass die Konferenz würde stattfinden können, sondern auch, dass wir eine Soundanlage buchen (Voraussetzung zum Videodrehen) und eine Video-Journalistin würden bezahlen können.
Die vierte Hürde: Was sollen die Teilnehmer essen? Von Anfang an war klar: Jeder würde selbst zahlen müssen. Das Einfachste: Da das Betahaus mitten im Schanzenviertel liegt, könnten sich die Teilnehmer mittags selbst was Schnelles irgendwo suchen. Das wollten wir aber nicht, weil unser Anliegen auch war, den Austausch der Teilnehmer untereinander zu fördern. Warum also nicht einen Foodtruck vor die Tür holen? Schließlich ist die Foodtruck-Dichte in Hamburg sehr hoch. Das war weniger einfach, als wir anfangs dachten. Der Foodtruck-Betreiber, mit dem wir uns einig waren, sagte uns sechs Wochen vorher ab. Der nächste, der bereit war, wollte einen garantierten Mindestumsatz – für uns ein finanzielles Risiko. Glücklicherweise konnten wir Vincent Vegan überzeugen, dass die nebenan eine gute Sache ist.
Die fünfte Hürde: unsere Unerfahrenheit. In drei Monaten eine neue Konferenz zu organisieren, ist eine Herausforderung, besonders, wenn man etwas in der Art noch nie gemacht hat – dessen waren wir uns bewusst. Und daher haben wir uns auch nicht darüber gewundert, dass wir immer mal Fehler gemacht haben. Zum Beispiel die Kalkulation zu niedrig anzusetzen. Oder nicht zu bedenken, dass Videos machen zu wollen eben auch bedeutet, dass man guten Sound braucht. Oder erst zwei Wochen vorher entsetzt festzustellen, dass wir nicht nur morgens jemanden für den Einlass brauchen, sondern dass dort ständig jemand sitzen muss. Oder vier Tage vorher zu bemerken, dass wir keine Bühne dazu gebucht hatten (zu dem Zeitpunkt war ich aber schon in dem „Ach, egal, dann haben wir eben keine“-Stadium angekommen). Oder zu unterschätzen, was es bedeutet, wenn Leute ihr Ticket weitergeben – nämlich zeitlichen Aufwand: Wir mussten den Leuten immer neu erklären, dass wir von den neuen Besitzern den Namen und die E-Mail-Adresse brauchen, dass sie das Finanzielle selbst regeln müssen, und wir mussten dann im Ticketsystem Namen und E-Mail-Adresse ändern. Oder am Tag selbst von einem aufgeregten Foodtruck-Besitzer angerufen zu werden, dass es Probleme mit dem extra eingerichteten Halteverbot gibt (falsche Straßenseite! War echt dumm von mir!) und dann blitzschnell eine Lösung dafür finden zu müssen.
Die sechste Hürde: Würde ich meinen Vortrag rechtzeitig fertig kriegen? Der Anlass für die nebenan war, dass ich einen rp15-Vortrag halten wollte und abgelehnt worden war. Deshalb war es selbstverständlich, dass ich mich als Speakerin einplante. Nicht nur, dass ich aus der Übung war (mein letzter Vortrag liegt ein paar Jahre zurück), ich hatte einfach nicht die Zeit, ihn vernünftig vorzubereiten – ich hatte unterschätzt, wie viel Zeit die nebenan kurz vorher auffressen würde.
Die siebte Hürde: fehlende Zeit. Ole ist festangestellt und steckt mitten in einem wichtigen Projekt. Und ich? Stehe am Anfang meiner Selbstständigkeit. Das war ein Glück, so konnte ich meine Zeit frei einteilen und auffangen, dass Ole weniger Zeit für die Vorbereitungen hatte als ich. Klar, für mein Konto war es nicht gut, dass ich wegen der Vorbereitungen zwei bis drei Aufträge (einer davon war wirklich fett) abgelehnt habe. Aber hey, wann hat man schon mal die Chance, eine eigene, ausverkaufte Konferenz auf die Beine zu stellen? Ich habe wahnsinnig viel gelernt. Und, ich will Euch jetzt nichts vormachen, natürlich hatte ich auch im Hinterkopf, dass es gut für meinen Ruf ist, die nebenan erfolgreich zu organisieren. Außerdem war es für mich die Gelegenheit, mich mit einem Vortrag über starke Frauen in TV-Serien noch besser in der Serienszene zu etablieren.
Die achte Hürde: Wie wird eine Konferenz „freundlich“? Glücklicherweise haben wir uns durch unseren eigenen Anspruch nicht stressen lassen. Am Ende der Konferenz erst fiel mir auf, dass wir zwar „freundlich“ sein wollten, es aber nicht krampfhaft versucht hatten. Es hat sich einfach irgendwie ergeben: Mit der Wahl der Vortragenden hatten wir den richtigen Riecher. Außerdem hatte Ole schon sehr früh die Idee, dass wir zum Beginn eine Sängerin auftreten lassen könnten, um mit etwas Flausch in den Tag zu starten. Glücklicherweise kannte meine Ex-Kollegin Kathrin genau die richtige Frau für uns: Antje Schomaker. Antje singt nicht nur toll, sondern ist auch unglaublich nett, wie ich beim ersten Treffen mit ihr festgestellt habe. Die Ansprache der von Ole gebauten nebenan-Website ist freundlich, unsere Kommunikation über Twitter und Facebook bewusst offen und nett. Dazu ergab es sich, dass mir eine Freundin anbot, ihr Freund könne uns ja mit Leberwurst- und Marmeladenbroten am Vormittag versorgen (und er hat sich wirklich rührend um uns gekümmert, tausend Dank an Christian von Hermann’s!). Außerdem waren die Jungs von 1337Mate so nett, uns mit sehr viel Mate zu versorgen. Das alles in der sehr offenen Atmosphäre des Betahauses – und schwupps, wurde es tatsächlich eine freundliche Internet-Konferenz.
Schlussendlich haben wir alle Hindernisse überwunden (das hatte ich oben ja bereits gespoilert), auch dank der vielen tollen Menschen, die uns auf dem Weg dahin und am Tag selbst unterstützt haben (Ralf!!1elf!!! Joe!!! Arne!!!). Auch wenn ich am Samstag, als ich gefragt wurde, wie ich es finde, immer geantwortet habe: „Öh, weiß ich nicht. Ich habe bisher so wenig mitbekommen. Wie gefällt es Dir denn?“. Aber nach der Flausch-Welle, die uns überrollt hat – viele viele Teilnehmer, die uns persönlich begeistert gedankt haben, Vortragende, die es toll fanden, und die unglaublich vielen lieben Tweets – kann ich heute, Tag 1 nach der nebenan, sagen: Ja, es war wunderbar! <3